Volker Lindner und Bernd Emonts (v.r.n.l.)

Ist Abfall die Kohle der Zukunft?

Der Beirat des h2-netzwerk-ruhr befasst sich mit der „Farbenlehre“ des Wasserstoffs

In den Räumen der Gelsenwasser AG in Gelsenkirchen traf sich am Freitag, 20. Mai 2022, der wissenschaftliche Beirat des h2-netzwerk-ruhr e.V.. Unter Vorsitz von Dr. Bernd Emonts (Forschungszentrum Jülich) befassten sich die über dreißig Teilnehmenden mit der sogenannten „Farbenlehre“ des Wasserstoffs, also seiner Herkunft.

Dabei ist allen Experten klar, dass der größte Teil des zukünftig immer wichtiger werdenden Energieträgers Wasserstoff mithilfe erneuerbarer Energien durch Elektrolyse gewonnen wird, also „grün“ ist. Aber das heißt nicht, dass es nicht auch alternative Erzeugungsverfahren geben wird, die möglicherweise nicht nur in der Übergangszeit ihre Berechtigung haben.

Expertenvorträge und angeregte Diskussionen

Aber der Reihe nach: Nach der Begrüßung durch Dr. Arnt Baer, der bei Gelsenwasser den Bereich Politik und Verbände leitet, und Dr. Bernd Emonts gab Prof. Dr. Jochen Linssen vom FZ Jülich einen Überblick über den Fahrplan zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 und die Schlüsselrolle, die Wasserstoff dabei spielt. Danach warb Karsten Opitz von der Graforce GmbH für die „Plasmalyse“ als Methode, um damit aus Methan, Abwässern und Reststoffen „türkisen“ Wasserstoff und festen Kohlenstoff zu gewinnen. Er betonte dabei den im Vergleich zur Wasser-Elektrolyse geringeren Strombedarf sowie die Verwertbarkeit des abgeschiedenen Kohlenstoffs als Rohstoff für die Industrie. Einem ähnlichen Verfahren widmete sich der Vortrag von Robert Bock, Plagazi AB: „Green Hydrogen from waste“. Bei dieser Anlagentechnologie sollen zunächst absolut nicht recyclebare Kunststoffe eingesetzt werden.

Prof. Elmar Brügging von der Fachhochschule Münster befasste sich mit den Herausforderungen bei der Erzeugung, Verteilung und Speicherung von „grünem“ Wasserstoff im industriellen Maßstab, bevor Nina Scholz von Equinor Deutschland „blauen“ Wasserstoff als Perspektive für klimafreundlichen H2 im Industriemaßstab beschrieb. Equinor wird „blauen Wasserstoff“ aus Erdgas herstellen und das abgeschiedene CO² in Norwegen in tieferliegenden Gesteinsschichten nach eigenen Aussagen sicher lagern. Die derzeit hohen Erdgaspreise und der Bedarf für konventionelle Nutzungen stellen allerdings aktuell ein Problem dar.

Zu allen Vorträgen gab es interessierte, teilweise auch kontroverse Nachfragen und Diskussionen, sodass Versammlungsleiter Bernd Emonts immer wieder auf die Uhr schauen und zur Redezeitbegrenzung anhalten musste.

Fazit: Mehr Tempo für erneuerbare Energien

Als Fazit lässt sich festhalten: Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss in hohem Tempo vorangetrieben werden. Der gesetzliche Rahmen auf nationaler und europäischer Ebene ist noch nicht ausreichend auf eine Wasserstoffwirtschaft ausgerichtet. Und: Bis „grüner“ Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht, ist ein Verzicht auf „grauen“ und „blauen“ Wasserstoff weder möglich noch sinnvoll. Und mit Plasmaverfahren lässt sich zukünftig aus vielen Reststoffen Wasserstoff gewinnen, was Dr. Bernd Emonts zu der abschließenden Feststellung veranlasste: „Der Abfall ist die Kohle der Zukunft“.